
Nicht nur in Büchern, sondern auch in anderen Medien der modernen Popkultur wie Filmen & Serien gilt die Erzählregel „show don’t tell“. Obwohl Spider-Man 1 (2002) mit Tobey Maguire und Ironheart (2025) beides Geschichten sind, die im Marvel Comics Universum spielen, gibt es deutliche Unterschiede zu erkennen.
• Spider-Man als Außenseiter:
✔ Peter rennt dem Schulbus hinterher, während er von seinen Mitschülern ignoriert und verspottet wird. Selbst der Busfahrer, der ihn bereits bemerkt hat, hält erst an, nachdem MJ ihn darauf hinweist, dass Peter schon länger hinter dem Bus herläuft.
✔ Als er in den Bus steigt, wird er mit Papierkügelchen beworfen und ein Mädchen verwehrt ihm sogar unfreundlicherweise den freien Sitzplatz.
✔ Zu allem Übel stellt ihm einer seiner Klassenkameraden noch ein Bein, sodass er zu Boden fällt und seine Brille verliert.
➜ Anstatt zu sagen, dass Peter Parker ein Außenseiter ist, bekommt der Zuschauer dies gleich schon in der Eröffnungsszene des Films sehr deutlich gezeigt.
• Spider-Mans Heldenreise:
✔ Peter bemerkt sofort, dass MJ ausrutscht, und schafft es zu seiner eigenen Überraschung, sie und sogar ihr Mittagessen mit seinen erworbenen Reflexen aufzufangen.
✔ Kurz darauf will sich ein Klassenkamerad mit ihm prügeln, hierbei unterschätzt Peter seine Stärke, denn mit einem einzigen Schlag haut er ihn k. o.
✔ Später steht Peter auf dem Dach eines Hochhauses und versucht, seine spezielle Superkraft, den Netzwurf, durch verschiedene Gesten & Befehle zu erzeugen.
➜ Auch hier wird dem Zuschauer nicht von Anfang an gesagt, dass Peter ein Held ist, stattdessen sehen wir, wie es ihm allmählich gelingt, seine Kräfte zu entdecken und zu beherrschen.
• Ironheart, das „Genie“:
❌ Gleich zu Beginn der Serie bekommen wir als Zuschauer gesagt, dass Riri berühmter sein wird als Steve Jobs, Bill Gates, Hank Pym und Tony Stark.
❌ Nicht nur Riri selbst, sondern auch andere Charaktere behaupten allein in der ersten Folge mehrfach, dass sie ein Genie sei.
❌ Trotzdem schafft sie es nicht, innerhalb von vier Jahren nennenswerte Fortschritte bei ihrem Forschungsprojekt – der Entwicklung einer Kopie eines Iron-Man-Anzugs – zu erzielen.
❌ Stattdessen ist sie für einen Kurzschluss im Labor verantwortlich, sodass es zu einem Brand kommt und ein Dozent verletzt wird.
❌ Trotz ihrer überragenden Intelligenz findet sie keinen anderen Ausweg, als kriminell zu werden, um das notwendige Forschungsgeld aufzutreiben.
➜ Es wird durchgehend behauptet, dass Riri sehr schlau sei, aber ihre Genialität wird in wenigen Szenen wirklich zum Ausdruck gebracht. Im Gegensatz dazu hat Tony Stark alias Iron-Man trotz prekärer Lage mit wenigen Ressourcen den Prototypen für seinen Anzug entworfen, den Riri nun zu kopieren versucht.
• Ironhearts Trauer:
❌ Obwohl Riris Vater eine wichtige Bezugsperson für sie war, wird nicht gezeigt, wie sehr sie unter diesem Verlust leidet.
❌ Selbiges gilt für ihre beste Freundin Natalie, die sich nach ihrem Tod als KI für Riris Iron-Man-Anzug materialisiert. Obwohl die KI ihr Aussehen & ihre Stimme annimmt, werden auch hier keine großen Emotionen übertragen.
• Fazit:
Gerade durch seine Fehler & Schwächen wird Peter trotz seiner Superkräfte für das Publikum greifbar, sodass man von Anfang an mit ihm mitfiebern kann.
Wohingegen Riris Darstellung eher den gegenteiligen Effekt hat, denn sie wirkt arrogant und unempathisch – fast schon wie ein Bösewicht, da sie sich willentlich dazu entscheidet, ohne Not und nachvollziehbare Motive zu einer Verbrecherin zu werden.
In letzter Zeit gewinnt man leider immer mehr den Eindruck, dass neuere Blockbuster und Serien viel zu häufig auf „tell“ setzen, anstatt dem Zuschauer die Emotionen oder Persönlichkeiten der Charaktere zu zeigen.